Freitag, 9. Mai 2014

Geburtsbericht Zwee

R. ist gerade nach Hause gefahren, weil heute Abend Zwees Pinkelparty steigt. Ich sitze nun in meinem "Begleit-Mutti-Zimmer" und möchte langsam mal anfangen, die Erlebnisse der letzten 6 Tage aufzuschreiben - angefangen natürlich mit Zwees Geburt.

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Letzte Woche hatte ich ein paar Tage lang Übungs-/ Senkwehen. Der Bauch wurde ständig hart und gelegentlich war es sogar ein bisschen schmerzhaft. Ich fand es recht ermutigend, dass dabei erstmal keine weiteren Blutungen auftraten, und schonte mich ausgiebig. Am Samstag verlebten R., BM und ich einen schönen Familientag zu dritt, den R. und ich am Abend gemütlich zu zweit ausklingen ließen. In der Nacht drehte ich alle 1 - 2 Stunden meine üblichen Runden: Toilette, BM zudecken, wieder zurück ins Bett - zuletzt gegen 5 Uhr früh - ohne irgendwelchen Auffälligkeiten. 

Ich träumte dann, dass K mit H ihr Kind bekommt und ich aus irgendeinem Grund bei der Geburt dabei war. Als ich langsam wach wurde, spürte ich ein vertrautes Gefühl zwischen den Beinen. Ich hoffte, dass ich mich irrte, doch ein Blick zeigte Blut auf meinem Zwischen-die-Beine-klemm-Kissen. 

Um 6:23 Uhr (laut R.) weckte ich R. mit den Worten "Ich blute wieder!"

Erstmal war ich noch gar nicht allzu aufgeregt, ich wollte erstmal zur Toilette und mir die Bescherung ansehen. Da lief es mir schon die Beine hinab, die Schlafanzughose war gleich rot verfärbt und in die Toilette sprudelte es richtig. Nun wurde mir doch gleich ganz anders, so dass ich R. zurief, dass er doch gleich den Rettungswagen rufen müsse. Flink bastelte ich mir noch meine Kontaktlinsen in die Augen und legte mich auf die Couch. 

Diesmal mussten wir ein kleines Weilchen warten bis der Rettungswagen kam. Während dessen lief R. noch umher, holte meine Notfalltasche, die ich ein paar Tage zuvor endlich gepackt hatte, und noch ein paar weitere Kleinigkeiten. Endlich kam der Rettungswagen und wenig später auch der Wagen mit der Ärztin. Wie schon zuvor konnten sie nicht viel tun als mir einen Zugang zu legen, mich an einen Tropf mit Kochsalzlösung zu hängen und mitzunehmen. Vor allem hatten sie keinerlei Möglichkeit abzuhorchen, ob Zwees Herzchen schlägt. Diesmal war sie nämlich nicht so rücksichtsvoll, mich mit regelmäßigen Tritten zu beruhigen, sondern blieb fürchterlich still. BM war zwischenzeitlich aufgewacht und R. brachte sie herunter damit ich ihr ein Abschiedsküsschen geben konnte während wir gute Miene zu bösem Spiel machten. Es war mir sehr wichtig sie noch einmal zu sehen und mich ordentlich zu verabschieden, weil ich in dem Moment schon große Angst um Zwee und mich hatte. 

Nachdem wie beim letzten Mal das Navi nicht so recht funktionierte und es somit gefühlte Ewigkeiten dauerte bis der Rettungswagen endlich los fuhr, brausten wir mit Blaulicht davon. Da es weiterhin zwischen meinen Beinen sprudelte schaute die Notärztin noch einmal nach und meinte, dass es aussieht als ob nicht nur Blut sondern auch Fruchtwasser austritt und dass es deshalb soviel Flüssigkeit ist. Ich ließ mir dann mal das Datum verraten für den Fall, dass dies Zwees Geburtstag würde. 

Im Krankenhaus angekommen begrüßte mich die bereits vertraute Hebamme Kathrin. Endlich, endlich setzte sie das CTG an meinen Bauch und fand auch sogleich Zwees kräftig schlagendes Herz. Ich war so unendlich erleichtert! Nach einem kurzen Blick auf meine Hose befand sie auch gleich, dass das nicht nur Blut (laut Arztbericht war es tatsächlich wieder nur unterregelstarke Blutung) sondern vor allem Fruchtwasser heraus lief. Obwohl Zwee erst bei 34+3 SSW war beruhigte mich diese Aussage erstmal - zumindest waren wir beide nicht am verbluten. Das CTG zeigte wohl auch schon ordentliche Wehen an, die ich aber in der Aufregung kaum spürte. 

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Währenddessen rief R. bei meinen Eltern an, damit sie BM übernehmen und er ins Krankenhaus fahren konnte. Leider war mein Vati am Abend zuvor beim Boxen gewesen und erst um 5 Uhr (ähm... alkoholisiert) ins Bett gekommen. Als meine Mutti versuchte ihn zu wecken war sein einziger Kommentar: "Tatütata". Im Nachhinein sehr, sehr lustig. :-) Mutti kam also mit dem Taxi zu uns nach Hause, um auf BM aufzupassen. 

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Als ich R. anrief, um ihm die - für mich recht ermutigende - Neuigkeit vom Nicht-Blut-sondern-Fruchtwasser mitzuteilen, war er gerade auf halber Strecke ins Krankenhaus und fand die Nachricht eher aufregend. Vermutlich ist er danach wie ein Henker gefahren. 

Während ich noch mit ihm telefonierte trat der diensthabende Arzt ein - einer der wenigen, die ich bislang noch nicht kannte. Als ich aufgelegt hatte, eröffnete er mir, dass man Zwee nun recht zügig entbinden wolle. Ich wurde ein wenig panisch und erinnerte an unsere bisherige Geburtsplanung und dass wir ja eigentlich noch einmal nachsehen wollten, ob nicht doch eine spontane Geburt möglich wäre. Er war wirklich sehr freundlich und machte schnell einen Ultraschall, um sich den Muttermund anzusehen, sagte dann jedoch recht schnell, dass aus seiner Sicht die Plazenta weiterhin zu dicht und wulstig am Muttermund wäre und dass er die Risiken einer spontanen Geburt für zu hoch einschätzt. Er empfahl also eindringlich den Kaiserschnitt. Niemals würde ich mein Baby gefährden wollen, also stimmte ich zu - worauf hin er mir eröffnete, dass die Operation dann innerhalb der nächsten halben Stunde erfolgen würde! 

Ich weiß nicht, womit ich gerechnet hatte, aber das war ein ziemlicher Schock, so dass ich von da an eigentlich so ziemlich auf Automodus lief und kaum einen Gedanken fassen konnte. Zumindest war ich geistesgegenwärtig genug, um ihn zu bitten, ein gutes Wort bei den Anästhesisten für mich einzulegen und nochmal zu erklären, dass die Plazenta ja seitlich und nicht genau im Schnittbereich lag, damit ich zumindest nicht in Vollnarkose operiert werden müsste. Er versprach auch gleich, sich für mich einzusetzen. Ach ja, und natürlich stellte ich gleich klar, dass es gar nicht losgehen kann bevor R. nicht da ist. 

Ich glaube, kurz danach kam R. in den Kreißsaal gestürzt, und ich sagte ihm wenig schonend, dass unsere Tochter wohl in einer halben Stunde geboren wird. 

Die Reihenfolge bekomme ich jetzt nicht mehr ganz auf die Reihe. Ich glaube, als nächstes kam die Anästhesistin, die einer spinalen Betäubung zustimmte. Dann bekam ich einen Katheter gelegt. In dem Moment war ich weiterhin total baff und konnte gar nicht mehr darum bitten, dies doch erst nach Wirken der Betäubung zu tun. Es tat aber zum Glück kaum weh, brannte nur ein bisschen. Ich bekam noch ein OP-Hemd und Haarhaube angezogen sowie einen weiteren Zugang in die Armbeuge gelegt. Dann bekam ich einen Schnaps zur Bindung des Mageninhalts (?), weil ich Nachts noch etwas getrunken hatte und somit nicht komplett nüchtern war, und wurde dann in den Operationssaal geführt. 

Der Raum war viel kleiner als ich erwartet hatte, es wuselten viele grün gekleidete Gestalten herum. Ich musste mich auf den OP-Tisch setzen, OP-Schwester und Anästhesistin redeten auf mich ein. Zwischendurch kam dann ein anderer Anästhesist herein - ich bin nicht sicher, ob wegen Schichtübergabe oder weil man wegen der Placenta Praevia einen erfahreneren Arzt wollte. Mein Rücken wurde eingepinselt. Trotzdem diskutierten die beiden dann noch einmal kurz, ob man nicht doch eine Vollnarkose machen sollte, verließen sogar noch einmal den Raum, um sich von irgendwo (Oberarzt?) die Bestätigung zu holen, dass man wirklich eine Spinale machen dürfe. Durften sie zum Glück. 

Ich musste dann meinen Rücken ganz krumm machen, was immerhin viel leichter war als damals bei Zwees Geburt, denn immerhin musste ich dabei keine Wehen veratmen. Ich sollte nur sicher gehen, dass ich ihre Fragen zwar beantworte, aber bloß nicht mit dem Kopf schüttele oder nicke. Ich bekam eine örtliche Betäubung und kurz darauf die Spinale gespritzt, was ein bisschen unangenehm drückte aber nicht wirklich schlimm war. Ich sollte mich dann schnell hinlegen solange die Betäubung dies noch zuließ. Mein rechtes Bein konnte ich noch in die Beinstütze legen, über das linke Bein hatte ich dann schon keine rechte Kontrolle mehr. 

Dann wurde erstmal nur mein Nachthemd hochgehoben und als Sichtschutz über eine Stange gehängt. Meine Arme wurden festgebunden und der Anästhesist begann zu testen, ob die Betäubung schon wirkte. Logischerweise hatte ich ziemliche Angst, dass man anfangen könnte bevor sie richtig wirkt. Dazu sprühte er Wasser abwechselnd auf meinen Arm und zum Vergleich auf Beine und Bauch. Ich musste sagen, ob das Wasser sich noch kalt anfühlt. Ein bisschen. Dann begann man schon mal, meinen Bauch mit Jod einzupinseln. Während dessen konnte ich spüren wie sich dieses nach und nach überhaupt nicht mehr kalt anfühlt. Dann wurde der Operationsbereich abgedeckt und vorbereitet. Irgendwann wurde ich gefragt, ob ich gemerkt hätte, dass man mich testweise gepiekst habe. Hatte ich nicht. Die Betäubung wirkte also. 

Dann kam mein R. - natürlich in Schutzkleidung - in den OP, setzte sich an meine linke Seite und redete von da an unaufhörlich liebe Dinge in mein Ohr. Mit dem anderen Ohr lauschte und fühlte ich auf die Geschehnisse hinter dem Tuch. Ich merkte wie an mir herum gewerkelt wurde, hörte ein schneidendes Geräusch, spürte irgendwie, dass man in meinen Bauch eindrang. Ein Drücken und Ruckeln und der Anästhesist an meiner rechten Seite sagte, dass das Köpfchen schon da wäre. Dann wurde ich mit einem Mal ganz leicht und unsere Zwee fing sofort an, ein wenig gurgelnd zu schreien. Es war 8:30 Uhr - zwei Stunden nachdem wir aufgewacht waren. 

Ich war so glücklich in diesem Moment! Sie schrie, also ging es ihr bestimmt ganz gut. Ich sah wie die Hebamme sie um R. herum trug. Ich glaube, R. hat das gar nicht richtig gemerkt. Ich versuchte ihm zu sagen, dass er mal rutschen müsse. Und dann war sie da. Ich konnte kaum etwas sehen außer, dass ihre Haut ziemlich grau aussah. Dann drückte die Hebamme mir mein Mädchen für einen kurzen Moment an die Wange. So ein wunder-wunder-schönes warmes Gefühl! Ich sagte "Mein Mädchen! Mama ist da!"... und Zwee hörte tatsächlich sofort kurz auf zu weinen. Dann wurde sie heraus getragen, um vom Kinderarzt untersucht zu werden. Laut Arztbericht waren ihre Agparwerte 9-8-8, d.h. sie hatte Anpassungsschwierigkeiten. 

Dennoch durfte R. dann zu ihr. Dabei warf er übrigens einen unfreiwilligen Blick in die falsche Richtung, was ihm zwei Nächte lang Albträume bescherte. Nachdem ich mich so sehr vor dem Kaiserschnitt gefürchtet hatte, scheint mein Mann nun mehr traumatisiert als ich zu sein. Ich weiß nicht genau wie dann der weitere Ablauf war. Aber jedenfalls zeigte sich, dass Zwee das Atmen doch recht schwer fiel, so dass sie eine Atemmaske zur Unterstützung bekam. Es wurden Elektroden zur Überwachung an ihr kleines Körperchen geklebt und sie wurde dann wohl in einem Inkubator in die Neonatalogie transportiert. Laut R. war das schon ein ziemlich unheimlicher Anblick. 

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Während dessen wurde ich wieder zusammen geflickt. Alle waren weiterhin total lieb zu mir und redeten mir gut zu, damit ich ruhiger atme. Irgendwie bekam ich zwischendurch einen kleinen Panikanfall - Aufregung, Zwee weg, R. weg, das Geruckel, die Geräusche, das klaustrophobische Gefühl wegen der festgebundenen Arme und des Tuches direkt vor einer Nase.... Mir wurde kotzübel und ein wenig schwarz vor Augen. Dagegen bekam ich schnell ein Mittel gespritzt, so dass ich mich letztendlich nicht übergeben musste. 

Als alles fertig war, wurden die Tücher entfernt. Mein Bauch war weg. (Das war natürlich eine optische Täuschung aufgrund der Rückenlage. Tatsächlich sehe ich auch heute noch so aus als wäre ich im 6 Monat schwanger.) Der Arzt stand zwischen meinen Beinen, ich war komplett nackig, weil das OP-Hemd blutig und nass geworden war. Er erklärte, dass alles gut verlaufen war, dass ich mich nicht wundern solle, weil er eine gekordelte Kompresse unter das Pflaster lege - das sei NICHT die Narbe, die da so dick ist, und dass er mir mal gleich noch ein Zäpfchen gegen die Schmerzen gibt. Ein sehr surreales Gefühl, ihn da stehen zu sehen, zu wissen, dass man ein Zäpfchen bekommt, aber nichts zu fühlen. Nun ja, die Schamgrenze war in diesem Moment zwar sehr niedrig, aber durchaus noch vorhanden. Dann war ich ein bisschen neugierig wie man mich wohl vom OP-Tisch auf das Bett bekommen würde: Mit einem Rollbrett. Nun weiß ich das also auch. 

Ich bekam ein frisches Nachthemd an, wurde zugedeckt und aus dem OP-Saal gefahren. Dort kam gleich mein R. auf mich zu gelaufen. Er zeigte mir ein Bild von meiner Zwee und versuchte mir schonend beizubringen, dass meine größte Befürchtung wahr geworden war und ich sie nicht im Arm halten konnte, weil sie schon auf dem Weg in die Frühchenstation war. Sie hatte verständliche Anpassungsschwierigkeiten, das war nicht überraschend und vor allem in Anbetracht der Schwangerschaftswoche verhältnismäßig nicht besonders schlimm. Dennoch fühlte ich Zwee und mich um unsere ersten Kennenlernmomente betrogen. Die Zeit im Kreißsaal nach BMs Geburt waren mit Abstand die schönste in meinem Leben gewesen und es fühlte sich komplett falsch an, Zwee nicht auf die gleiche Weise im Leben zu begrüßen. 

So, ich bin jetzt erstmal komplett aufgelöst und muss eine Pause machen bevor ich aufschreiben kann wie es weiterging.

7 Kommentare:

  1. Mir laufen die Tränen. Ich fühle richtig mit und finde die Geburt an sich dennoch sehr schön, auch wenn es anders lief als geplant.
    Ich hoffe ihr durftet bald dann etwas kuscheln!

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  2. Puh, ich habe gerade Gänsehaut... kann daher sehr gut verstehen, dass du erstmal eine Pause machen musstest. Ich freu mich sehr, dass es trotz Kaiserschnitt so gelaufen ist, wie du es dir gewünscht hast. Hoffentlich konntest du Zwee ganz bald gekuscheln. Das wünsche ich dir!!

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  3. Ich kann mich den beiden Anderen nur anschließen. Beim lesen deines Berichtes bekam auch ich feuchte Augen und eine Gänsehaut.
    Ihr habt sicher nun das Schlimmste überstanden und könnt euch auf eine schöne Zeit mit ihr freuen. Kathrin a. B.

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  4. Hach, nun habe ich Tränen in den Augen. Ich glaube ich habe noch nie einen so rührenden Geburtsbericht eines Kaiserschnitts gelesen.

    Alles alles Liebe zu eurem zweiten kleinen Mädchen!

    Anabell

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  5. Der Bericht ist so emotional geschrieben. Ich fühle mich ein bisschen so, als wäre ich dabei gewesen. Und ich freue mich sehr, dass du die Geburt bei vollem Bewusstsein erleben durftest - auch, wenn vieles andere nicht nach deinen Wünschen verlaufen ist. Ich hoffe, dass ihr zu Hause nun ganz, ganz, ganz viel kuscheln und die fehlende Zeit vom Anfang teilweise kompensieren könnt.

    Alles Liebe wünscht euch Maria G.

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  6. Wahhh, das ist ja wirklich aufregend und spannend gewesen!

    Meine Tochter hatte fast die selben Apgarwerte, da die Geburt so lange (36h) gedauert hat. Aber nach kurzer Sauerstoffbehandlung gings dann..

    Aber egal wie die Geburt verlaufen ist (denk ich mir immer so), Hauptsache man hat ein gesundes kleines Mädchen! Wenn ich sie dann lächeln seh, wird mir klar, dass es das alles wert war (Schmerzen usw.)

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  7. Oh nein, das habe ich gar nicht mitbekommen und lese erst jetzt, dass ihr zu viert seid. Alles alles Liebe für euch und meine allerherzlichsten Glückwünsche! Ich freu mich so sehr für euch und mit euch!

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